Mal überlegen: Wer macht fremdsprachige Literatur und Filmkunst für eher oder komplett monolinguale Menschen geniessbar? Wer ermöglicht die korrekte, kohärente und konstruktive Kommunikation zwischen Sprechern verschiedener Sprachen, sei es privat, im Spital, vor Gericht, in der Schule, in der Wirtschaft oder in der Politik, wie gerade wieder gesehen beim World Economic Forum? Wer macht Reden, Konferenzen, Presseberichte, Regelwerke, Verträge oder Enzyklopädien innerhalb einer oder zwischen zwei Sprachen für das jeweilige Publikum verständlich? Nein, das kann nicht jeder. Mir scheint, als sei der in Zeiten der Globalisierung und der wachsenden Vernetzung immer mehr gefragte Beruf des Übersetzers in die selbe Gruppe geraten wie etwa der des Lehrers: Die, von denen viele vorlaute Laien glauben, sie könnten das auch. Aber für beide Metiers gilt: Man muss wissen, worauf man sich einlässt, und es braucht Übung, Übung und nochmal Übung.
Das Bild oben haben Sie schon gesehen - zahllose Wörter haben nicht einfach ein einzelnes Pendant pro Fremdsprache. Aber das ist erst der Anfang der Übersetzungsproblemquellen. Redewendungen, Wortspiele oder kulturgebundene Metaphern sind fast ausschliesslich nie "direkt" übersetzbar. Einen Text, der sich auf das Kulturwissen seines Sprachgebiets stützt, kann man niemals ohne das Ergreifen entsprechender strategischer Massnahmen in eine andere Kultur übertragen, und auch Fachchinesisch muss dem Zielpublikum angemessen übermittelt werden. Das ist alles andere als langweilig - da ist haufenweise Kreativität gefragt! Aber Vorsicht: Das Spiel hat Regeln, denn bei all dem Durcheinander muss das Endprodukt dann auch noch idiomatisch und angemessen klingen - so, wie man es in der jeweiligen Kommunikationssituation in der Zielsprache, also der Sprache, in die man übersetzt, eben sagen würde. Da sehe ich die meisten Probleme unter Anfängern - viele kleben zu stark am Ausgangstext. Ein simples Beispiel dafür ist ein Fehler, den ich während der Schulzeit immer wieder in verschiedenen Variationen hören durfte: "Das hat man ja nicht können wissen!". Dahinter verbirgt sich ein sogenannter syntaktischer Negativtransfer, Ausgangssprache Schweizerdeutsch ("Das het me jo nid könne wüsse!"), also die zu direkte, fälschliche Übertragung einer Satzstruktur aus dem Schweizerdeutschen, deren Resultat grammatikalische Korrektheit und Idiomatik vermissen lässt.
Das Feilen an der translatorischen (übersetzerischen) Kompetenz und die damit verbundene volle Ausschöpfung des eigenen Vokabulars und sonstigen Sprach- und Kulturwissens etc. führt in der Regel dazu, dass man auch als ehemaliger Schulsprachunterrichtmusterknabe an seine Grenzen stösst und eindrücklich vor Augen geführt bekommt, wie gut es um die tatsächliche Sprachkompetenz denn nun bestellt ist, in Mutter- genauso wie in Fremdsprachen! Was muss man noch können? Effizient recherchieren, Wörterbücher konstruktiv benutzen, ein möglichst breites Sprach- und Kulturwissen zur Reduktion der Abhängigkeit von den eben genannten Kompetenzen besitzen, schnell und genau arbeiten, mit Computern und Übersetzungsprogrammen umgehen und vor allem auch die oft grosse Verantwortung tragen können, was durch Beispielfälle wie diese hier klar wird.
Die Haltung eines Übersetzers soll/kann nicht sein: "Ich schreibe jetzt diesen Text in einer anderen Sprache auf", sondern eher: "Wie würde man das Gemeinte in dieser Sprache und Kultur ausdrücken?". Deswegen der italienische Spruch "Traduttore, traditore!": Übersetzer sind Verräter, denn im Normalfall kann man schlicht nicht genau das gleiche in zwei verschiedenen Sprachen ausdrücken. Bei vielen Textsorten macht das aber nicht viel aus, solange das gewünschte Ziel erreicht wird. Und im literarischen Sektor, wo die Meinungen über Sinn und Unsinn einer Übersetzung stets auseinander gehen, biete ich folgenden Vergleich an: Die Übersetzung eines Buchs oder Films ist auf eine Art wie die fotografische Dokumentation einer Landschaft. Das Resultat kann bei geschicktem, kompetentem Vorgehen immer noch sehr hübsch sein, und es reicht ohne Weiteres für die aus, die dort gerade nicht selbst hin können, oder die nicht so aufs Reisen versessen sind. Aber klar ist: Es ist niemals dasselbe wie ein Besuch vor Ort. Der Fokus auf den Bildern ist der des Übermittlers, und das Originalfeeling der Umgebung bleibt denjenigen vorbehalten, die verreisen können. Mehrsprachigkeit öffnet viele Türen.
Was sagen Sie? Maschinelle Übersetzung? Als Ersatz für menschliche Übersetzer? Die Forscher wähnten sich immer wieder kurz vor dem Durchbruch, was das anbelangt. Aber dann geschah wieder sowas in dieser Art:
Nein, die Arbeit eines menschlichen Übersetzers können die Maschinen nicht übernehmen. Aber Computer sollen unterstützen, das können sie hervorragend. Elektronische Wörterbücher soll man benutzen, selbst ein trainiertes Übersetzerhirn kann denen nun mal nicht das Wasser reichen (Bei folgendem Test können Sie mal schauen, wie englischwörterbuchabhängig [Adjektiv des Monats, mindestens] Sie etwa sind. Bei mir kam folgendes Ergebnis raus: "On the basis of your results, we estimate you know 46% of the English words. This is a fairly high level for a native speaker." :D). Und das Benutzen solcher Wörterbücher lohnt sich nicht nur, wenn man einen Ausdruck nicht kennt oder nicht präsent hat, sondern auch dann, wenn einem die im Kopf gefundene Variante nicht passen will. Deshalb arbeite ich mit Synonymwörterbüchern wie jenem auf synonyme.woxikon.de und elektronischen Ressourcen, die viele verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten für Wörter anbieten, hauptsächlich de.glosbe.com, dict.cc und linguee.de. Glosbe und Linguee zeigen Übersetzungsbeispiele aus der Praxis (werden beim Übersetzen mit Computerhilfsprogrammen in sogenannten Translation Memories gespeichert), bei Dict und Linguee finden sich auch Redewendungen und bei Linguee auch Übersetzungen von speziellen Begriffen wie Firmennamen, Buchtiteln etc. (nachträglich ergänzt nach Hinweis eines aufmerksamen Lesers. Danke, Christian!) Redewendungen stellen aber den einzigen Fall dar, in dem man einen elektronischen Helfer mit mehr als einem Wort auf einmal füttern sollte. Wie wenig sinnvoll nämlich elektronische Satztranslation ist, können Sie beim Bad Translator amüsant überzeichnet mit englischen Sätzen austesten.
Ich freue mich schon jetzt auf meine spannende, abwechslungsreiche und wichtige Tätigkeit als Übersetzer für Englisch-Deutsch, Spanisch-Deutsch und vielleicht auch teils Deutsch-Englisch. Ein Übersetzer ist übrigens nicht dasselbe wie ein Dolmetscher. Er konzentriert sich auf die schriftliche Domäne. So, ich hoffe, der Respekt befindet sich nun auf einem gesunden Niveau. Dann sind Sie für diese Woche entlassen. Machen Sie's gut. Wenn Sie mögen. Soll ja kein Befehl sein, auch wenn's so klingt. :P
-Der Sprachbeschreiber
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen