Montag, 17. Februar 2014

10: En Usfluug ins Baaseldütsch

Welcome. Häärzlig willkomme.

Ich spreche Baseldeutsch, den einzigen Schweizer Dialekt, der aus dem Niederdeutschen stammt. Ich bin zwar nicht direkt Stadtbasler, aber immerhin Kantonsbewohner von Basel-Stadt und fühle mich deswegen durchaus als "Bebbi" ("Beppi" ist die Altbasler Spitznamenform von "Johann Jakob", und weil im 18. und 19. Jahrhundert viele Basler so hiessen, blieb der Name gewissermassen als Sammelbegriff an den Einwohnern hängen... aber irgendwie sagt das hier trotzdem kaum einer). Und ich besitze das Neue Baseldeutsch-Wörterbuch der Christoph Merian-Stiftung. Dieses ist laut Buchrücken "das Standardwerk für den heutigen Wortschatz der Baseldeutschen Mundart. Ein Forschungsteam am Deutschen Seminar der Universität Basel hat es mit einer breit angelegten Forschung während mehreren Jahren aufwändig erarbeitet." Bei einer Sprachvarietät wie dieser kann man natürlich nur deskriptive Werke herausbringen, also solche, die lediglich beschreiben und festhalten, wie geredet wird, und niemanden etwas vorschreiben. Es ist eine junge Ausgabe (2010), und folglich findet man darin auch bereits moderne Jugendsprache ("Du bisch son e Holz", "anderscht gäil", "jääs") und die Anmerkung, dass die meisten sogenannten Altbasler Vokalentrundungen, darunter "e" statt "ö" und "i" / "y" statt "ü" (z.B. scheen, Hiigel) sowie "ei" statt "öi" und "ai" statt "äi" (z.B. Gnei, Bai) ausser bei der Fasnacht im alltäglichen Gebrauch definitiv out und dementsprechend im Wörterbuch nicht mehr vorhanden sind. Aus meinen Lieblingseinträgen dieses Werks habe ich etwas zusammengebastelt, um Ihnen, geschätzte(r) sprachinteressierte(r) Leser(in), eine schöne Überdosis an coolen Ausdrücken aus diesem Dialekt verabreichen zu können.

Keine Angst, nicht einmal ich selbst kannte zunächst jede einzelne dieser Bezeichnungen und Redewendungen, zumal einige davon im Wörterbuch auch mit "veraltet" oder "veraltend" gekennzeichnet sind. Unten habe ich eine Übersetzung angefügt. Wenn Sie die beiden Texte parallel lesen wollen, öffnen Sie die Seite einfach nochmal in einem separaten Fenster und lassen sich die beiden nebeneinander anzeigen (bei Windows: per Rechtsklick auf der Taskleiste unten. Mit dieser Ansicht arbeite ich übrigens auch, wenn ich ein elektronisches Dokument übersetze!). Dann zoomen Sie etwas raus, damit sie alles lesen können, und scrollen beim einen Fenster zur baseldeutschen Version und im anderen zur hochdeutschen Übersetzung.

This is pure Baseldytsch. In your face. Diräggt in d Wisaasche.

BASELDEUTSCHER MONOLOG

"Jeeggerli näi! Son e Däsche, die Veronika, läng mr s Gweer! E Käärnlibiggere mit Kaabisbletter am Dänggwäärzli! Jetz han i scho gmäint, i häig sen am Bändel und könn ere d Maarggesammlig go zäige! Aber jetz zerscht emool äins non em andere wie z Pariis. Mr sin jo im Grischtmonet, kurz vor em Altjooroobe, im Kino gsi, läider in dr Gniggstaarloosche, aber i has äinewääg nid könne gniesse, d Nigge het irgendwie Giigelisuppe ghaa. Dodrmit kasch grad abfaare, han i dänggt, suscht hauts mr denn dr Nuggi zem Muul us! Sone Sauglattischtin, het s Gfiel si mies dr Doggter mache bim Sprüch risse. Die hätt an sällem Oobe allwääg sogaar in eme kadoolische Bättschopf dr Spruchhuffe gspiilt. Aber si isch drum nid grad vo Meerggige, si het daas jo noochzue an jedere Hundsverlochete gmacht wo mr gsi sin. Jä nu, jetz isch Essig mit däm Film, hani dänggt! Nochär aber grad abdiigere, ufen Oriäntexpress, häi ins Bierfläschegellert, dr Stäi voor d Hööli ruugele und am Küssi go loose. Aber wäisch, wenn dr dää Bääse denn wider per exgüüsi aafoot Zugger ins Füüdle bloose, denn muesch scho s Bleischilee aaleege, suscht heissts denn: Guet Nacht am Säggsi! Do mäinsch allewiil wiider, si wöll di jetz doch abschlägge. Was kunnt dääre Katz äigedlig aa, äim dr ganz Obe go verbaschigunggele, bis me donnerschiessig duubedänzig wird? Do bini schöön ins Gläppergässli gloffe, bi all dääre Schliimmschisserei. Ich, sone junge Drüübel, drumpier mi dääwääg, dasch doch für ins Dierbuech, so öppis! S isch nit zum Saage!

Damit i mr vo dääre nüt me abläschele loss, binere nochhäär halt uf d Kappe gstiige, damit i das ändlig emolle abghaa ha. I bii halt käi Wäichbächer! Die hets richtig hindere gsträält, wonere d Boschtoornig verlääse ha. Won i sen abbutzt ghaa ha, het si nadierlig grad wider miese aafoo zünde. Zundgüggelrot isch das Gschüüch woorde. Es seig also en Ärdbodeschand mit miir, het si gwäffelet, i seig e Lumpehund, e feertige Dildap. I glaub, das Zwätschgeliisi hätt mr am liebschte non e Gröllhaldesaxofon übers Beeri bänglet, dass i s Füür im Elsass gsee. Broscht Näägeli, und sunscht bisch gsund? Näi loos, kasch mr ins Hietli gumpe, du Zwaschpel, hani gsäit. Gang wider zrugg uf Blätzbums, bevor d no e Sträiffig bikunsch. I hätt nüt drgege, wenns di bim häi däppele no däät schnätzle!

Jäjoo, s nägschtmol mach i denn lieber wider äin uf Gmietsatleet, denn gits Finggekino mit eme guete Glöpfmoscht, als Äinzelmassge oder mit de Buebe, mit eren ordentlige Dischgrachede vorhäär, und wenns Katze haagled, do gits käini Biire! Dört han ich denn dr letscht Zwigg an dr Gäissle, wird nid derangschiert, ka mi ohni Zwanzig-ab-Achti-Schnuure in d Kischte pflaatsche und ha drno sicher käi Gooschmaar. Und irgendwenn bini denn au emoll e Glögglifrosch und driff statt somene Duech e schööns Bischuu, wo mr besser basst."

ÜBERSETZUNG HOCHDEUTSCH

"Herrgott! So ein blödes Weib, diese Veronika, ich kann's nicht glauben! 'Ne Pflanzenfresserin mit Segelohren am Kopf. Ich dachte schon, wir wären jetzt zusammen und ich könne mal mit ihr in die Kiste springen. Aber jetzt erst mal alles der Reihe nach. Wir waren ja im Dezember, kurz vor Silvester, im Kino, leider in der vordersten Reihe, aber ich konnte es sowieso nicht genießen, die Nicky war die ganze Zeit nur mit Kichern beschäftigt. Hör mir bloß auf damit, dachte ich, sonst verlier' ich noch den Verstand! Die meint, sie sei die Witzigste überhaupt, und hört nicht auf, Sprüche zu reißen. Die hätte an dem Abend wohl sogar in 'ner katholischen Kirche den Witzbold gemacht. Aber sie merkt halt nicht, wie sie wirkt, sie hat sich ja an fast jedem doofen Anlass so aufgeführt, an dem wir waren. Tja, der Film ist im Eimer, dachte ich mir! Nachher aber gleich abhauen, ins Tram Nummer 8, heim ins untere Kleinbasel, die Tür zu und schlafen gehen. Aber weißt du, wenn das Weib dann wieder so scheinheilig anfängt, sich bei einem einzuschleimen, dann muss man sich schon wappnen, sonst geht das nicht gut aus! Da meint man immer wieder neu, sie wolle jetzt doch rummachen. Was denkt sich diese Braut eigentlich dabei, einem den ganzen Abend durcheinander zu bringen, bis man völlig wahnsinnig wird? Da hab ich mich ganz schön vertan, bei dieser ganzen Heuchelei. Ich, so ein junger Typ, greife so daneben, das ist doch verrückt, sowas! Kaum zu glauben!

Damit ich mich von der nicht mehr einwickeln lasse, hab ich ihr nachher halt die Meinung gegeigt, damit ich das endlich mal erledigt hatte. Ich bin halt kein Feigling! Die ist vielleicht erschrocken, als ich ihr die Leviten gelesen hab. Als ich mit der Standpauke fertig war, musste sie natürlich gleich wieder Streit anfangen. Knallrot wurde die Hexe. Es sei eine Schande, motzte sie, ich sei ein Dreckskerl, ein totaler Blödkopf. Ich glaube, dieses dumme Stück hätte mir am liebsten noch 'n Alphorn über den Schädel gezogen, dass ich die Sterne sehe. Na klasse, sonst noch 'n Wunsch? Neenee, du kannst mich mal, du zappliges Ding, hab ich gesagt. Geh wieder zurück nach Birsfelden, bevor du noch 'n Schlaganfall kriegst. Ich hätt' nix dagegen, wenn du beim heim laufen noch auf die Schnauze fallen würdest!

Wie auch immer, nächstes Mal geb ich lieber wieder den Phlegmatiker, dann gibt's Heimkino mit 'nem guten Schampus, ganz allein oder mit den Jungs, und davor ordentlich was zu essen, auf jeden Fall, daran gibt's nix zu rütteln! Da hab ich dann das letzte Wort, werde nicht gestört, kann mich ohne miese Laune ins Bett schmeißen und hab danach sicher keine Alpträume. Und irgendwann bin ich dann auch mal 'n Glückspilz und treffe statt so 'nem schrägen Vogel 'ne hübsche, liebenswerte Frau, die mir besser passt."

Hinweis: Alle Ereignisse und Personen in dieser Geschichte sind fiktiv und beziehen sich nicht auf reale Geschehnisse oder Menschen. I ha Gugguus verzellt.

:D Je besser ich ihn kennen lerne, desto mehr liebe ich meinen Dialekt. Dann verbleibe ich mit einem herzlichen "Aadie beschtens!".

-Dr Sproochbeschriiber

P.S.: Ja, ich weiss, es ist noch eine Weile hin bis zur Basler Fasnacht. Aber wie Sie aus Post 1 wissen sollten, beteiligt sich dieser Blog nicht an saisonalen Spezialausgaben-Hypes. *Im Stil des Lällekeenig die Zunge rausstreck*