(Aus: Kling, Marc-Uwe (2009): Die Känguru-Chroniken)
Es gibt, wie Ihnen vielleicht bekannt ist, verschiedenste Dinge, die mich gelegentlich so ein klein wenig stören können, wenn ich andere reden höre. Eins davon ist, wie bei unserem guten Marc-Uwe hier, ungenaues Zitieren. Es kommt immer wieder vor: Jemand zitiert etwa eine Stelle aus einem guten Buch oder Lied oder ein Sprichwort - was an und für sich meist schön und gut ist, da es die Sprache bunter und reichhaltiger macht - gibt aber nicht den genauen Wortlaut wieder. Und warum stört mich das? Weil coole Stellen aus guten Büchern oder Liedern und etablierte Sprichwörter aus bestimmten Gründen genau so formuliert wurden, wie sie eben formuliert sind. Das ist zu einem grossen Teil für Wirkung und Erfolg solcher Texte verantwortlich. Und über diese Wirkung und die Wege, die dort hin führen, möchte ich in diesem Blogeintrag schreiben. Ich spreche von der "Redekunst", der Rhetorik. Und mit dieser müssen wir uns kurz auseinandersetzen, wenn wir die Frage des Kängurus befriedigend beantworten wollen.
Rhetorische Mittel beeinflussen unsere Wahrnehmung eines Textes. Sie stimulieren gewissermassen den Verstand und fördern Lesegenuss und Einprägsamkeit. Reime empfinden wir etwa als schön und einprägsam. Einfaches Beispiel: Songtexte. Wenn die sich nicht reimen würden - wären Sie dann genauso begeistert von Ihrem Lieblingssong? Weiteres Beispiel: Eselsbrücken. Die soll man sich ja merken können. Wenn Sie die studieren, wird Ihnen vornehmlich der Reim begegnen. Was rhetorische Mittel anbelangt, gibt's da aber noch so einiges mehr. Auf der höheren Ebene finden sich da unter anderem der Vergleich, die Wiederholung, die Verdeutlichung, das Zitat, die Steigerung, der Gegensatz oder natürlich die rhetorische Frage. Inhalte aus dem Rhetorikarsenal auf einer tieferen Ebene zeigt die folgende Liste aus einer ZHAW-Textanalysevorlesung:
Ob bezaubernde Gedichte, fesselnde Romane oder beeindruckende Reden - erfolgreiche wirkungsvolle Texte bedienen sich stets eines gewissen Masses an rhetorischen Mitteln. Meine kommunikationswissenschaftliche Arbeit im vierten Semester hat am Beispiel von Predigten bestätigt, dass der Einsatz rhetorischer Darstellungsmittel ein entscheidender Faktor ist, wenn es darum geht, ob und wie Leute die wichtigsten Aussagen eines Vortrages verstehen. Unser Gehirn scheint Freude zu haben an solchen Mitteln, vielleicht deswegen, weil es dabei Muster mit einer gewissen Ordnung in der sonst so beliebigen Sprache erkennen kann. Man kann seine Aussagen dem Gehirn so quasi sprachlich unter die Nase halten, sie ihm schmackhaft machen und ihm einen Moment lang die Gelegenheit offerieren, sie auf seine Weise aufzunehmen.
Der "Witz" hinter dem beim Känguru erwähnten Sprichwort liegt nun meines Erachtens in der Alliteration: Laus und Leber können's gut zusammen. Deswegen läuft da keine Maus, kein Wildkaninchen und kein Okapi. Dennoch muss ich dem Känguru in puncto Hinterfragen Recht geben - inhaltlich ist die ganze Sache damit noch nicht so recht geklärt. Meine Recherchen ergaben, dass in früheren Zeiten die Leber als Sitz der Gefühle angesehen wurde. Deswegen stellte man sich bildhaft vor, dass da etwas drüber"gelaufen" sein müsse, wenn jemand griesgrämig war. Man benutzt die Redewendung auch nur dann, wenn jemand ein klein wenig mies gelaunt ist; entsprechend ist die Grösse des Tiers ausgefallen.
Na, was gelernt? Mal sehen, wie's beim Känguru aussieht...
Na, was gelernt? Mal sehen, wie's beim Känguru aussieht...
"Biste eingeschnappt?", fragt das Känguru.
"Wieso?", frage ich eingeschnappt. "Wieso sollte ich
eingeschnappt sein?". "Weiß nich'", sagt das Känguru."Aber
du wirkst wie eine kleine beleidigte Teewurst." "Leberwurst."
"Nein nein, Teewurst, man sagt Teewurst." "Tut man nich'".
"Doch." Ich verdrehe die Augen. "Na von mir aus", sage ich.
"Dem Klügeren wird nachgegeben!", sagt das Känguru. "So geht das
Sprichwort nich'!". "Doch." "Nein!" "Doch."
"Wie du meinst..." "Siehst du?".
(Aus: Kling, Marc-Uwe
(2014): Die Känguru-Offenbarung)
-Der Sprachbeschreiber
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