Sprache funktioniert im Alltag weitgehend automatisch. Wir machen uns im Allgemeinen eher selten Gedanken über die genaue Beschaffenheit und Funktionsweise dessen, was wir tagtäglich so von uns geben. Tun wir dies aber öfters, dann verfügen wir über ein gesteigertes Mass an linguistic awareness. Je stärker die Ausprägung, die wir durch Bildung und Interesse an Sprache fördern können, desto eher erkennen wir z.B. Grammatikfehler oder machen uns Gedanken über Aussagen, die mehrere Verstehensmöglichkeiten bieten. Was man mit diesem Werkzeug in den Minen der Alltagssprache so alles zutage fördern kann, möchte ich in diesem Blog aufzeigen.
Die Thematik, die mich wohl am meisten beschäftigt, ist die folgende: Wir meinen ja immer gewisse Dinge, wenn wir etwas sagen. Aber manchmal stimmt das Gemeinte nicht eins zu eins mit dem wörtlichen Inhalt der Aussage überein. Ja, oft passiert das wegen grammatischen oder orthographischen Fehlern. Man kann sich in einem Blog wie diesem immer über Fehler aufregen. Das ist ganz unterhaltsam, aber wenn man dabei bleibt, macht man es sich doch etwas gar einfach. Spannend wird es, wenn man rein grammatisch und orthographisch keine Fehler ausmachen kann.
Bei ungewollter Mehrdeutigkeit zum Beispiel. Oder etwa dann, wenn das Gesagte nur aus konventionellen oder sprachgeschichtlichen Gründen oder nur nach der Meinung des Sprechers mit dem Gemeinten zusammenhängt. Bei abgedroschenen Wendungen, die man "halt eben so sagt", wenn man in Gesprächen unbedingt die Oberhand behalten will und von Gefühlen geleitet ist, oder weil man beim Sprechen Aufwand scheut. Über solche Dinge lässt sich reichlich nachdenken und philosophieren, und man kann "optimalere" Lösungen vorschlagen. Die zentrale Frage liegt dann immer bei Sinn und Unsinn der ganzen Angelegenheit: Die Sprache funktioniert doch so, wie sie ist! Ist es nicht egal, wenn Gesagtes und Gemeintes nicht hundertprozentig übereinstimmt? Man versteht sich doch, wenn man so spricht, wie eben gesprochen wird! Oder..? Wie auch immer: Obwohl ich die Sprache immer als irgendwie gegenteilig zur Mathematik angesehen habe, stelle ich nun bei der vertieften Theoriebeschäftigung doch Parallelen fest: Mathematiker und Physiker beschäftigen sich zuweilen auch gern mit Problemen, die in der realen Welt keine praktischen Relevanz haben, die nur unter veränderten Bedingungen existieren und gelöst werden können. Aber wie sagte doch Richard Feynman: "Physik ist wie Sex. Manchmal kommt etwas Nützliches dabei heraus. Aber deshalb betreiben wir sie nicht."
Und so will ich es grundsätzlich auch mit meinem Blog halten. Es soll primär Spass machen. Aber wer weiss, vielleicht wird der Sprachbeschreiber die Sprachrealität revolutionieren. Seien Sie dabei, wenn's soweit ist. Sie sind herzlich dazu eingeladen, ihre linguistic awareness mit Hilfe der Gedanken des Sprachbeschreibes zu entdecken und zu fördern. Aber ich muss Sie warnen: Sie könnten als Nebenprodukt eine blühende Sprachphantasie entwickeln, die anderen möglicherweise hin und wieder auf die Nerven geht. Aber dazu später mehr. Ade.
-Der Sprachbeschreiber
P.S. Bastian Sick, Schlussredakteur der Onlineredaktion des Magazins "Der Spiegel", Kolumnist ("Zwiebelfisch") und Buchautor ("Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod"), verfügt über eine stark ausgeprägte linguistic awareness, was ihn zu einem interessanten Sprachbeschreiber macht. Wenn Sie mal 1,5 Stunden Zeit haben sollten, dann gehen Sie doch mal in seinem Bühnenprogramm, das Sie sich unten zu Gemüte führen können, auf Safari durch die Welt des linguistischen Bewusstseins. Sie ahnen ja gar nicht, wie gut ich diesen Menschen und seine Ausführungen verstehen kann...