Montag, 30. Dezember 2013

3: Ein Vor Schlag für einen Vor Satz

Ich möchte der deutschen Sprachgemeinschaft (das seid ihr alle, die ihr der deutschen Sprache mächtig seid!) zu Silvester einen guten Vorsatz für 2014 vorschlagen. Symptomatisch für einen bedenklichen Trend in der deutschen Sprache prangt folgender Schriftzug in leuchtenden Lettern über dem Barfüsserplatz in Basel:


Jetzt kommt's: Wenn Sie über ein geschultes Auge für die Funktionsweise der deutschen Sprache verfügen, dann sehen Sie da zunächst mal drei Worte, die in keiner erkennbaren Beziehung zueinander stehen. Was soll uns mitgeteilt werden? In diesem Haus, das sich in Basel befindet, gibt es Spielzeug, Welten und ein Museum..? Es stellt sich die Frage, ob ich enttäuscht sein soll, wenn sie mit Überraschung darauf reagieren sollten, dass es sich laut deutscher Grammatik mit dieser Gebäudebeschriftung tatsächlich so verhält. Auf Englisch wäre das etwas anderes, gewiss. Daher stammt wohl der Glaube, dass man so etwas tun könne. Aber auf Deutsch müsste man die Worte univerbieren (Spielzeugweltenmuseum) oder durchkoppeln (z.B. Spielzeugwelten-Museum). Und doch sieht man mehr und mehr deutsche Texte, deren Autoren sich dieser Regeln nicht bewusst zu sein scheinen. 

Sehen Sie: Es gibt zwar Regeln für die Sprache, aber bei manchen Regelverstössen wird das Verständnis der davon betroffenen Mitteilungen kaum erschwert. Vielleicht, weil wir nicht alle Regeln unserer Sprache bis ins letzte Detail kennen und immer präsent haben. Vielleicht, weil das menschliche Gehirn beim Lesen mit der Zeit vom Entziffern zum "Scannen" wechselt und statt Buchstaben ganze Worte aufnimmt, wodurch wir kleine Ungereimtheiten eher übersehen (Wer's nicht glaubt, widme sich kurz folgender ->Lektüre). Und vielleicht auch, weil wir eine gewisse Intelligenz besitzen, die es uns erlaubt, auch aus leicht falschen Konstruktionen die intendierte Bedeutung herauszulesen. Es wäre ja nicht so, als wäre die Bedeutung der Beschriftung des Spielzeugweltenmuseums nicht erschliessbar. Aber wir wissen: Ohne Regeln klappt Kommunikation nun mal irgendwann nicht mehr. Ich habe bereits ein Beispiel entdeckt, bei dem die falsche Getrenntschreibung eine klar erkennbare falsche Message aussendet (meine Facebookfreunde dürften es bereits kennen): 


Welch grausame Verstümmelung. Da wurde ein hilfloses Adjektiv kaltblütig auseinandergerissen. Und dann ist das hier in diesem Fall eindeutig kein Adjektiv mehr. Die gute Protectas teilt uns den Regeln nach mit, dass hier der Alarm gesichert sei. Hier wird aus meiner Sicht selbst die grosszügig gesteckte Grenze der dichterischen Freiheit überschritten, auf die sich der Autor hier zudem keineswegs berufen könnte. Gute Leute, gebt Acht, damit uns der Getrenntschreib-Trend nicht in unnötige Verständnisschwierigkeiten führt! Oder in Verzweiflung, so wie am Zürcher HB: 



Da reib' ich mir die Augen. Man zerreisst mittlerweile nicht nur Komposita, sondern sogar alleinstehende Wörter?! Warum?! Entweder ist das ein ganz besonders schlimmes Beispiel für den Regelzerfall, oder es ist ein grauenhaftes Wortspiel. Pest oder Cholera. Ich rate: Baut wieder bewusst mehr echte Komposita (zusammengesetzte Wörter)! Das ist in der deutschen Sprache etwas ganz Besonderes, und es wäre schade, wenn man es so kaputt machen würde. So, genug der warnenden Worte, jetzt kann das neue Jahr kommen. Ich wünsche Ihnen, dass es ein gutes wird - und wenn nicht, dann zumindest ein lehrreiches.

-Der Sprachbeschreiber

P.S. Meine Güte, das war ja bierernst heute. Schauen Sie sich doch zur Auflockerung diesen Hund an. Hihi.

Montag, 23. Dezember 2013

2: Erste Stellungnahme zur Dialektproblematik

Es war am Mittwoch, dem 11.12.13. Der FC Basel verlor gegen den FC Schalke 04, was den fanatischsten unter den Anhänger des Schweizer Clubs in ihrem wieder einmal aufgekommenen Grössenwahn einen herben Dämpfer versetzte. Da waren sie aber ungehalten. Auf Facebook musste ich mitansehen, wie sie unter den Posts zum Fussballspiel Kommentargefechte anzuzetteln begannen. Mir wurde dabei ob der gewaltigen Boshaftigkeit und Ignoranz der Teilnehmer beinahe übel. Ich bin selbst ein grosser Fussballfan und bestens vertraut mit den teils starken Emotionen, die bei solchen Affichen aufkommen. Für das beobachtete Verhalten habe ich dennoch nicht das geringste Verständnis: Beschimpfungen voller Vorurteile und Stigmatisierungen brechen aus den Beteiligten hervor, kaum einer zeigt die Fähigkeit, sachlich zu diskutieren. Diffamieren statt Argumentieren, so die Devise:
Und mir fällt auf, dass sich dabei wieder einmal folgendes zeigt: Sprache ist für Menschen meist kaum zu trennen von Identität. Die beteiligten Schweizer formulieren ihre Beschimpfungen in übertriebenem Nationalstolz auf Schweizerdeutsch. Hochdeutsch steht für das Fremde, das Böse, für Arroganz, für den Feind im Norden, und deshalb prahlt man hochnäsig mit der eigenen Sprachvarietät. "Mir bruuche eures verfickte Dütsch nid!". Auch viele deutsche Fans begeben sich auf dieses Niveau herunter und bezeichnen die Schweizer als primitive Bauern, die "noch nicht mal ne Grammatik" besässen, und machen sich über das Schweizerdeutsch lustig. Traurig - insbesondere dann, wenn einem klar wird, dass es eigentlich nur um das Ergebnis von einem Ballspiel ging 1.
1= Der Genitiv ist heute akut vom Aussterben bedroht. Stoppen Sie diesen Wahnsinn. Genitiv bewahren, beim Dativ sparen. Besten Dank für Ihren Beitrag als Mitglied der Sprachgemeinschaft Deutsch.

Fest steht, dass die Vertreter beider Seiten bei mir reichlich Respekt verloren haben, ohne dass ich sie persönlich getroffen hätte. Schade, schade. Das Hochdeutsche und die Schweizer Dialekte haben die selben Wurzeln. Die Bezeichnung "Hochdeutsch" bedeutet nicht, dass diese Varietät per se etwas besseres ist als andere, sondern nur, dass sie weiter nördlich Verwendung findet. Aber eins müssen wir Schweizer uns ganz einfach eingestehen: Unsere Varietät ist nun mal nicht ausreichend kodifiziert (=durch schriftlich festgehaltene Regeln genormt), um etwa zur Landessprache erhoben oder anderweitig im offiziellen Bereich verwendet zu werden. Uns in Hochdeutsch unterrichten zu lassen, erweitert unseren Horizont und signalisiert, dass wir uns darüber im Klaren sind, dass es eine Welt jenseits unserer Landesgrenzen gibt.

Dennoch spreche ich mich in keinster Weise für eine Abschaffung des Dialekts aus. Wie erwähnt stiftet er Identität, und das erlebe ich immer wieder als etwas sehr Schönes. Es fühlt sich doch immer wieder gut an, mit einer eigenen Sprachvarietät kommunizieren zu können, die einzigartiges Merkmal der eigenen Herkunft ist. Man grenzt sich gewissermassen auf eine gute Art ab, so wie es nicht nur bei Dialekten, sondern auch bei Soziolekten geschieht: Jugendsprache ist so eigenwillig, modern, rebellisch und "cool", wie es die Jungen sein wollen, und sie möchten beim Sprechen auf keinen Fall genau gleich klingen wie die älteren Generationen, weil ihnen eine eigene Identität wichtig ist. Wichtig ist nur, dass diese Abgrenzung nicht auf ein ungesundes Niveau abrutscht, so dass es zu starker Trennung und Verachtung kommt - ob zwischen alt und jung oder zwischen Schweizern und Deutschen. Krass: Der Westschweizer Sprachforscher José Ribeaud kritisierte kürzlich die Sprachpolitik der Schweiz und warnte vor einer Konfliktzuspitzung, die in einer Situation wie jener in Belgien enden werde, wo sich ein tiefer Graben zwischen französisch- und niederländischsprachigen Bürgern gebildet hat (hier der Link zum Interview). Denken wir drüber nach! Eine derartige Stufe der Trennung zwischen den Sprachgemeinschaften in und um Helvetien wäre bedauernswert und absolut unnötig. Deshalb schliesse ich für den Moment als Reaktion auf die durch den Fussball erneut aufgekommene Xenophobie zwischen Deutschland und der Schweiz ganz plakativ: Deutschsprachige aller Länder, vereinigt euch! Setzt Sprache nicht gleich mit Identität. Das ist genau so blöd wie Rassismus.

-Der Sprachbeschreiber

P.S. Der Fussballgott sei mir gnädig, denn ich habe mir den Match nicht angesehen. Stattdessen war ich an der Basler Vorpremiere von "The Hobbit: The Desolation of Smaug" anwesend. Der Streifen gefiel mir ausgezeichnet, was unter anderem dem Dialog zwischen dem Drachen Smaug und dem Hobbit Bilbo zu verdanken ist - ein Genuss für jeden Sprachfan; besonders der Drache gibt sich lexikalisch und syntaktisch (in Sachen Vokabular und Satzbau) sehr gebildet. Überzeugen Sie sich am besten selbst davon, wenn Sie's genauer wissen wollen. Ich hoffe, die Szene wurde auf Deutsch ebenbürtig wiedergegeben. Das zu bewerkstelligen, ist nämlich eine Herausforderung, glauben Sie mir. Viele glauben das nämlich nicht. Leider. Doch auch das Brechen einer Lanze für die Translationswissenschaft will ich mir für später aufheben...

P.P.S. Ganz frei von Zwängen möchte ich noch sagen: Frohe Weihnachten, allerseits! Apropos, da fällt mir noch dieses leicht infantile Wortspiel aus einem Thread von tumblr.com ein:

Montag, 16. Dezember 2013

1: Zum Anfang

Wussten Sie schon das Neuste? Es ist Weihnachtszeit! Überall weihnachtet es, schon so lang und schon so krass, dass es dafür ein eigenes Verb gibt! Überall Weihnachtsspecials und Weihnachtsaktionen, Weihnachtsmänner, Weihnachtsgutzi und Weihnachtstoilettenpapier! Und wussten Sie schon das Allerneuste?
*Abrupter Abbruch von Engelsgesang und Rentierglöckchengebimmel*
Der Sprachbeschreiber MACHT DA NICHT MIT. 1
Würde ich mich zu einem Weihnachtsspecial zwingen... Oh weh, ich würde mich fühlen wie die bedauernswerte Kreatur mit Migrationshintergrund aus folgendem Ruthe-Cartoon.
1= Ich habe grundsätzlich nichts gegen Weihnachten, im Gegenteil. Oder, sagen wir, fast nichts, wenn ich mir so anschaue, was daraus geworden ist...
Kurzum: Nein zu erzwungener Weihnachtsstimmung. Im Internet boomt schon seit einiger Zeit die Weitergabe von unnützem Wissen, und diesem Trend schliesse ich mich im Zuge des Versuchs an, einen locker-leichten Einstieg in die Beschäftigung mit der Sprachrealität zu gewährleisten. Doch ganz so unnütz sind die Infos vielleicht nicht einmal. Urteilen Sie selbst, als geneigter Betrachter. Oder als aufrechter. Oder als was auch immer. Feel free.

-Der im Französischen verwendete accent circonflexe (^) steht in den meisten Fällen für ein altfranzösisches S, das nicht mehr geschrieben wird. Ein Esel war zum Beispiel auf Lateinisch ein "asinus", auf Altfranzösisch ein "asne", und jetzt ist daraus der "âne" geworden.

-Während die Franzosen Buchstaben entfernten, fügten die Engländer gern mal welche hinzu: Um an die lateinischen Wurzeln ihres Wortschatzes zu erinnern, erzwangen Akademiker beispielsweise die Wiederaufnahme des B in das Wort für "Schuld". So wurde aus "dette" dann "debt". Das wieder eingeführte B brauchte aber keiner auszusprechen - man sollte einfach nicht vergessen, dass am Anfang der ganzen Geschichte das Wort "debitum" gestanden hatte. Na toll. Deswegen sagte einst Kurt Tucholsky: "Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden." Vielen Dank auch, liebe Akademiker. Mehr über die Dinge, die dem Englischen angetan wurden, kann man hier nachlesen.

-Apropos angelsächsischer Sprachraum: In den USA wird ein Englisch gesprochen, das dem ursprünglichen British English deutlich näher kommt als das, was wir heute auf der Insel zu hören bekommen. Der heutige British Accent entstand nämlich erst später, sehr wahrscheinlich als Statussymbol in hohen englischen Gesellschaftsschichten.

-Das menschliche Gehirn unterstellt allem, was in Kommunikationssituationen geäussert wird, Relevanz. Wenn der Dozent einer Geschichtsvorlesung inmitten seines Vortrags den Satz "Kartoffeln können aller Wahrscheinlichkeit nach nicht fliegen" einstreut, so ignorieren die Gehirne der Studenten den Satz nicht - was sie aber wegen der offenkundigen Zusammenhangslosigkeit ganz eindeutig sollten - sondern die Lernenden runzeln die Stirn und fragen einander, was denn der tiefere Sinn dieser Aussage sei.

-Der Dichter und Schriftsteller Philipp von Zesen versuchte im 17. Jahrhundert in einem Anfall von Sprachpurismus, deutsche Ersatzwörter für Fremdwörter einzuführen. Zu seinen Erfolgen zählen etwa die Alternativen "Ableitung" zu "Derivation", "Ausflug" zu "Exkursion", "Rechtschreibung" zu "Orthographie" oder "Leidenschaft" zu "Passion". Dann gibt es da aber auch noch weniger erfolgreiche Vorschläge, wie etwa "Blitzfeuerregung" für "Elektrizität", "Dörrleiche" für "Mumie", "Meuchelpuffer" für "Pistole" - oder "Krautbeschreiber" für "Botaniker".

Und ja, wie der letzte Vorschlag die findigen Füchsinnen und Füchse unter meinen Lesern vermuten lässt, ist mein Bloggername gewissermassen eine Hommage an dieses Unterfangen. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt mit Sicherheit auf den guten Herrn von Zesen zurückkommen.

Und schon weiss man wieder ein bisschen mehr. Ganz ohne Kunstschnee, rot-weisse Zipfelmützen und die mich jedes Jahr von neuem verzückenden 2 Klänge von "Last Christmas" im Hintergrund.

-Der Sprachbeschreiber

2= Ironie, die. Feiner, verdeckter Spott, mit dem jemand etwas dadurch zu treffen sucht, dass er es unter dem augenfälligen Schein der eigenen Billigung lächerlich macht (duden.de).

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Auf geht's!

Er hat es getan!

Man glaube es oder man glaube es trotz erdrückender Beweislage vor des Betrachters Augen nicht: Ich habe mich entschlossen, einen Blog zu starten. Ich, die berühmt-berüchtigte Sprachkoryphäe aus der Nordwestschweiz, habe den Entschluss gefasst, meine linguistischen Beobachtungen und Gedanken mit der Welt ausserhalb meines Kopfes zu teilen. Schon seit langer Zeit, aber besonders bewusst seit Beginn meines Übersetzerstudiums in Winterthur beobachte ich die Sprachverwendung um mich herum mit grossem Interesse und komme ins Sinnieren über korrekt und falsch, über angebracht und fehl am Platz, über Sinn und Unsinn der Sprachelemente, die man um mich herum so von sich gibt. Nach ein wenig Unterweisung in Linguistik, Grammatik, Textanalyse, Kommunikationswissenschaft und Verständlichkeitstheorie an der Hochschule bin ich nun sogar in der Lage, die Dinge differenzierter ins Auge zu fassen.

Es sei mir ein gutes Auge vergönnt, und ein gutes Schreibhändchen, um meinem Publikum Unterhaltung und Inspiration zu bieten. Zuversicht möchte ich stiften, wenn ich sage: Wer Linguistik langweilig findet, hat sich noch nicht ausreichend damit beschäftigt. Sprache betrifft uns alle, wir haben alle ständig damit zu tun, und sie ist zwangsweise ein grosses Hobby für jedermann. Und die Linguistik ist gerade deshalb so spannend, weil sie im Gegensatz zu etwa der Mathematik keine superexakte Wissenschaft ist. Es lässt sich diskutieren und philosophieren, und man befindet sich zum Beispiel in einem ständigen Spannungsfeld zwischen präskriptiv und deskriptiv: Schreiben wir der Gesellschaft vor, wie sie zu reden hat, oder beobachten wir die Leute und halten fest, wie die Sprache verwendet wird? Mein Blog soll Gegenstand des letzteren sein, wenn auch die präskriptive Note nicht verloren gehen soll - ohne Regeln klappt keine Kommunikation!

Wenn auch Sie sich an den Dingen erfreuen, die Sprache zur unterhaltsamen Faszination werden lassen, wie wirre Wortwitze, oberpeinliche Orthographiefehler und aneinandergereihte Alliterationen und Assonanzspielereien, dann würde es mir grosses Vergnügen bereiten, Sie in meiner Leserschaft willkommen heissen zu dürfen.

Es grüsst, mit Doppel-S statt Eszett (wir sind schliesslich in der Schweiz!)

-Der Sprachbeschreiber