Da sah ich doch letztens ein Plakat am Strassenrand: Bastian Sick, vielleicht der kommerziell erfolgreichste Sprachbeschreiber der Geschichte, würde am 16. Oktober in Zürich auftreten. Mir war sogleich klar: Nichts wie hin! Im Folgenden ein Bericht über den Abend, den ich nebst Freundin im Volkshaus erleben durfte.
"Füllen Sie sich wie zu Hause" - so der Titel des Programms, ein laut Broschüre für Bastian Sick geradezu charakteristisches Wortspiel, das nicht nur banale Wortspielerei ist, sondern einen gewollten neuen Sinn hat: Man solle den Abend nutzen, um den eigenen Verstand mit Bonmots, Sprachspielereien und allerlei anderem Interessantem und Skurrilem anzureichern.
Die Vorstellung beginnt mit einem Video, in dem Herr Sick erst einmal ausführlich vorgestellt wird. Man erfährt, dass er zuerst Lehrer werden wollte, dann aber Korrekturleser wurde, durch seine Kolumne "Zwiebelfisch" deutschlandweit bekannt wurde und in Zusammenarbeit mit anderen Experten in der Köln-Arena die Guinness-zertifizierte grösste Deutschstunde der Welt abgehalten hat. Mittlerweile hat er im Auftrag des Goethe-Instituts mit seinen Vorstellungen und Lesungen auch Südamerika und weite Teile Europas besucht. Nach dem Video tritt Herr Sick dann persönlich auf die Bühne. Er berichtet zum Einstieg von der Rolle der Vögel in unserer Sprache. Obwohl wir sie doch eigentlich bewundern würden, dienten sie in der deutschen Sprache doch eher für das Ausdrücken von Spott und Hohn. Er berichtet von Rabenmüttern, Schmutzfinken und Dreckspatzen, Nachteulen, Schluckspechten und Schnapsdrosseln. Doch Vorsicht - Drossel hiess ursprünglich "Kehle", daher ist mit letzterem eigentlich kein Vogel gemeint. Auch der Kuckuck ist in der Sprache zumeist buchstäblich ein falscher Vogel, da er als Platzhalter für den Teufel zu dienen pflegte, dessen Name im Mittelalter auszusprechen sich viele nicht trauten (ich liebe diesen Satz. Eigenkonstrukt. Nicht abgekupfert, ehrlich). "Und dann kriegen wir an den Augen Krähenfüsse und an den Füssen Hühneraugen! Solche anatomischen Wunder machen die Vögel in unserer Sprache möglich, meine Damen und Herren!".
Sick liest aus Zeitungen vor: "Der junge Mann wurde von dem Hund verfolgt, attackiert, gebissen - und ambulant ärztlich versorgt." Wir erfahren, dass die in Amerika einfallenden Europäer in der Regel einen Indianerstamm aus der Gegend nach den Namen der umliegenden Stämme fragten. Wie sehr bzw. eben wie wenig sich diese Stämme mochten, kann man den Namen ansehen: Hinter klingenden Bezeichnungen wie Sioux, Apache oder Cheyenne verstecken sich Bedeutungen wie "Feinde", "die zu Fuss gehen" (der benennende Stamm hatte bereits Pferde), "kleine Anderssprechende" oder "Bauern". Fast alle Stämme haben kaum bekannte Namen für sich selbst, die "Menschen/Volk" bedeuten. Es geht weiter mit fotografischen Dokumentationen sprachlicher Missgeschicke. "Hänschen klein ging allein in die weite Welt hinein... falsch gedacht, weit ist der arme Junge nicht gekommen: Dieser Laden hier verkauft Hänschen-Geschnetzeltes!". Auch das beleckte Brötchen, die Länder Belgesien, Spananien oder Grieschland, das Popmone, ein vierköpfiges Alpentrio, Outdoormode für draussen oder ein Google-Hopf strapazieren die Lachmuskeln und zeigen unter anderem die Abhängigkeit des postmodernen Deutschen von elektronischen Schreibhilfen.
In der englischen Zeitung "The Guardian" habe sich kürzlich ein Journalist mit den ellenlangen Komposita der deutschen Sprache befasst, mit diesem Beispiel als Aufhänger, für das er ganze 13 Worte zur Erklärung gebraucht habe:
Es gebe sogar einen offiziellen Weltrekord für das längste Wort der Welt, erzählt Sick. Dieses Faktum führt er dann sogleich ad absurdum, indem er einen neuen Weltrekord bastelt, der da lautet: "Unterhaltungselektronikeinzelhandelverkäuferweiterbildungswochendendseminarteilnehmerliste". Dann eines der grossen Sorgenkinder meinerseits: Die post moderne Getrennt Schreibung. Da werben Firmen mit Slogans wie "24 Monate ohne Grund Gebühr" oder "Wir machen Ihren Computer fit und Viren resistent" - grosse Klasse. Autonamen regen Sicks Fantasie an: FIAT = Fahrer Im Auftrag des Todes. GOLF = Ganz Ohne Luxus Fahren. OPEL = Offensichtlicher Pfusch eines Lehrlings. SEAT = Sehen. Einsteigen. Aussteigen. Totlachen. BMW = Bei Mercedes Weggeworfen. FORD = Für Opa Reicht Das. Und wussten Sie, dass "möchte" der Konjunktiv 2 von "mögen" ist? Es gibt dennoch Grammatiktabellen, in denen "möchten" als eigenständiges Verb durchkonjugiert wird: Ich möchtete, ich werde gemöchtet haben. Vom veraltenden Konjunktiv 2 - von Sick mit einem tollen Gedicht gewürdigt - wird übrigens in einer von einem deutschen Bundesamt herausgegebenen Heft mit dem Titel "Leichte Sprache" abgeraten, genauso wie etwa vom Genitiv oder von angeblich schwierigen Wörtern wie "genehmigen", das man etwa durch "erlauben" ersetzen solle. "Darauf werde ich mir im Hotel erstmal ordentlich einen erlauben", meint Sick dazu.
Nun, wie ist die ganze Sache zu bewerten? Bastian Sick bleibt seiner Linie treu, er bringt bis auf ein paar meiner Meinung nach mässig begeisternde Gesangseinlagen nichts völlig Neues in sein Programm ein. Aber es funktioniert, die Leute halten sich den Bauch vor lachen und lernen was. Denn dass sich Sick treu bleibt, erlangt seine Berechtigung doch gerade vor allem daraus, dass sich die durchschnittliche Sprachkompetenz im deutschen Sprachraum kaum in Richtung einer Besserung sich zu bewegen im Begriff ist. Also sage ich: Klasse, weiter so, Herr Sick! Sie sind für mich ein Vorbild - sprachliches "Infotainment" vom Feinsten machen Sie da.
-Der Sprachbeschreiber
Montag, 27. Oktober 2014
Montag, 13. Oktober 2014
28: Inspiriert vom Känguru #1: Die Meinung des Autors
"Ich habe ein Manifest verfasst voller Witz und Weisheit", schimpfe ich innerlich brodelnd, "einen Fels in der Brandung stumpfer Pipikaka-Witze, eine Rettungsboje für alle, die etwas faul dünkt an dieser widerwärtigen Weltordnung, ein Buch voll tucholskyschem Witz, voll orwellscher Weitsicht, voll beckettscher Radikalität..." "Voll goethescher Bescheidenheit", wirft das Känguru ein. "Eine grosse Satire über ein idealistisches wenn auch leider wahnsinniges Känguru und seinen flexiblen, belastbaren, innovativen, kreativen, teamfähigen, begeisterungsfähigen und kreativen Begleiter..." "So beruhige dich doch", sagt mein Agent eindringlich, "bitte bitte, die Leute kucken schon..." "LASS SIE DOCH KUCKEN! ICH BIN KÜNSTLER! DIE LEUTE SOLLEN MIR ZUKUCKEN! ICH BIN KÜNSTLER!" "Kleinkünstler", sagt das Känguru. "NEIN NEIN NEIN!" rufe ich, "KÜNSTLER! Nichts geringeres als einen modernen Don Quijote habe ich verfasst! (...)". Aus: Kling, Marc-Uwe: Die Känguru-Offenbarung (2014)
Willkommen zu einer neuen Eintragsreihe, liebe LeserInnen!
Diese Serie greift Ausschnitte aus einer Buch- bzw. Hörbuchtrilogie auf, die in der einleitenden Passage quasi von sich selbst vorgestellt wird und die mich als grossen Fan gewonnen hat. Alles beginnt damit, dass ein kommunistisches Känguru beim Kleinkünstler Marc-Uwe einzieht und damit anfängt, dessen Leben ordentlich auf den Kopf zu stellen. Immer wieder finden sich in den gesellschaftskritischen und zum Schreien komischen Büchern spannende & witzige Passagen, die sich mit Sprache beschäftigen. Steilvorlagen, die ich für Blogposts zu nutzen gedenke.
Beginnen möchte ich mit einer weiteren Passage aus Teil 3, der Känguru-Offenbarung. Deren Thema hat mich in letzter Zeit besonders beim Scrollen auf Facebook beschäftigt:
Ich zeige dem Känguru meinen Becher und es liest: "'Wir sind die erste Generation in der Geschichte, welche die extreme Armut abschaffen kann. Das ist unser Glück, unsere Herausforderung und unsere Verantwortung. -Jeffrey Sachs'". Das Känguru blickt mich an. "Was ist daran lustig?". "Das Kleingedruckte unten". Das Känguru liest vor: "'Das ist die Meinung des Autors und nicht notwendigerweise die Meinung von Starbucks'". "Ist es nicht schön, wenn die PR-Abteilung und die Rechtsabteilung so wunderbar Hand in Hand arbeiten?", frage ich. "Ich finde, andere Konzerne sollten das übernehmen. Zum Beispiel: 'Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. -Antoine de Saint-Exupéry. Das ist die Meinung des Autors und nicht notwendigerweise die Meinung von Fielmann.'". "'Nicht notwendigerweise die Meinung', das ist so feige!", sagt das Känguru kopfschüttelnd. "Das regt mich wirklich auf! Entweder man macht 'ne Ansage oder man hält die Klappe! Aber 'ne Ansage zu machen und sich dann sofort vorsorglich davon zu distanzieren, BÄH! (...) Ich hätte grosse Lust, den Leuten volle Kanne gegen das Schienbein zu treten und danach zu sagen: 'Ich distanziere mich hiermit von dem Tritt gegen das Schienbein!'. (...)".
In Post #5 berichtete ich: Meinen Beobachtungen zufolge werden persönliche Meinungen recht oft sprachlich nicht als solche gekennzeichnet; immer seltener sagen die Leute "ich finde", "meiner Meinung nach" etc. Ich hatte mich damals nach dem Grund dafür gefragt und war zum Schluss gekommen, dass es sich in erster Linie um Bequemlichkeit handeln dürfte. Und was musste ich feststellen? Das ist in vielen Fällen leider nicht zutreffend. Oh nein, das war eine realitätsferne Bilderbuchdarstellung. Die Leute halten ihre Ansichten anscheinend oft tatsächlich für die objektive Wahrheit. Sie sehen zum Beispiel, wie sich jemand bei etwas erfolglos abmüht, und kommentieren: "Ach komm, das ist jetzt wirklich nicht schwer!". Das mag für dich gelten, aber nicht für jeden. Immer wieder erlebe ich etwas vom Sinnlosesten, was man mit Sprache überhaupt anfangen kann: Geschmacksdiskussionen. "Ich mag keine Orangen." "Doch, iss. Orangen schmecken gut." "Nein, die sind voll eklig." Viel Erfolg beim Versuch, herauszufinden, ob Orangen aus objektivem Blickwinkel lecker sind oder nicht. Meine Güte, diese Verallgemeinerungen eigener Ansichten. So ein zeitverschwendender Disput kann ganz einfach durch etwas mehr sprachlichen Aufwand in Form von "ich finde" o.ä. beigelegt werden. Merken Sie sich das!
Und wie uns die Passage aus der Känguru-Offenbarung demonstriert, geht die Sache mittlerweile noch weiter: Die Leute machen grosse Ansagen, und wenn man genauer nachfragt, findet man heraus, dass sie gar nicht wörtlich dahinter stehen. Sie wollten nur ein wenig Drama machen, ein bisschen cool wirken oder im besten Fall eine Diskussion anheizen. Alle drei Arten solcher Falschaussagen gehen mir auf die Nerven. Die einzige, die ich teilweise OK finde, ist die mit romantischen Absichten: "Du bist die schönste und tollste Person auf der ganzen Welt und ich kann nicht ohne dich leben!". Die Wahrheit ist, dass niemand 100%ig hinter dieser süssen Aussage stehen kann. Aber solang der Partner genug für einen ist, wäre es einfach nur doof und unsensibel, ganz differenziert die Fakten auf den Tisch zu legen.
Nein, was mich stört, das sind Falschaussagen, die mit Politik, sozialen Problemen etc. zu tun haben. Auf Facebook boomt das. Immer öfter findet man Bilder und Statusmeldungen mit undifferenzierter, reisserischer Aussage. "Den Frauen allein gehört die Zukunft!" "Das Problem sind die Linken!" "Fuck Israel!". Es ist eben prägnanter, schlagkräftiger, cooler, wenn man so einen kurzen, plakativen Ausruf tätigt. Darunter hitzige Diskussionen in den Kommentaren. Schlecht informierte Hobbyextremisten klicken mit diabolischem Grinsen "Gefällt mir". Und dann erscheint plötzlich ein Kommentar der postenden Person: "Heeyy Leude beruhigt euch mal ich hab das nich so wörtlich gemeeeint LOL".
Meine Frage ist ganz einfach: Warum postest du das dann in deinem Namen?! Warum positionierst du dich in einer Debatte öffentlich mit einem Statement, hinter dem du gar nicht stehst?! Stellen Sie sich vor, jemand geht mit einem T-Shirt in eine Pizzeria, auf dem steht: "I LOVE HAM" und kommt zur Theke. Der Pizzaiolo lächelt und fragt: "Guten Tag, was darf's denn sein? Nein, lassen Sie mich raten: Eine Pizza Prosciutto?". "Oh, tut mir leid, ich steh' nicht so auf Prosciutto!". "Warum tragen Sie dann dieses T-Shirt?!". "Ach soo! Na ja, weil es cool ist :D Der wörtliche Inhalt ist ja nicht so wichtig". Ganz ehrlich: Finden Sie das nicht auch bescheuert? Sich in aller Öffentlichkeit in einer Frage zu positionieren, weil das cool ist, und nicht etwa, weil man tatsächlich dieser Meinung ist? Und dann noch überrascht zu sein, wenn einen die Leute beim Wort nehmen? Ich für meinen Teil zitiere noch einmal das Känguru: "Entweder man macht 'ne Ansage oder man hält die Klappe!". Denn wenn der Graben zwischen Sagen und Meinen aus diesem Trend heraus weiter wächst, dann wird Kommunikation in Zukunft immer anspruchsvoller werden. Sagen Sie doch einfach, was Sie meinen. Einverstanden?
-Der Sprachbeschreiber
Willkommen zu einer neuen Eintragsreihe, liebe LeserInnen!

Beginnen möchte ich mit einer weiteren Passage aus Teil 3, der Känguru-Offenbarung. Deren Thema hat mich in letzter Zeit besonders beim Scrollen auf Facebook beschäftigt:
Ich zeige dem Känguru meinen Becher und es liest: "'Wir sind die erste Generation in der Geschichte, welche die extreme Armut abschaffen kann. Das ist unser Glück, unsere Herausforderung und unsere Verantwortung. -Jeffrey Sachs'". Das Känguru blickt mich an. "Was ist daran lustig?". "Das Kleingedruckte unten". Das Känguru liest vor: "'Das ist die Meinung des Autors und nicht notwendigerweise die Meinung von Starbucks'". "Ist es nicht schön, wenn die PR-Abteilung und die Rechtsabteilung so wunderbar Hand in Hand arbeiten?", frage ich. "Ich finde, andere Konzerne sollten das übernehmen. Zum Beispiel: 'Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. -Antoine de Saint-Exupéry. Das ist die Meinung des Autors und nicht notwendigerweise die Meinung von Fielmann.'". "'Nicht notwendigerweise die Meinung', das ist so feige!", sagt das Känguru kopfschüttelnd. "Das regt mich wirklich auf! Entweder man macht 'ne Ansage oder man hält die Klappe! Aber 'ne Ansage zu machen und sich dann sofort vorsorglich davon zu distanzieren, BÄH! (...) Ich hätte grosse Lust, den Leuten volle Kanne gegen das Schienbein zu treten und danach zu sagen: 'Ich distanziere mich hiermit von dem Tritt gegen das Schienbein!'. (...)".
In Post #5 berichtete ich: Meinen Beobachtungen zufolge werden persönliche Meinungen recht oft sprachlich nicht als solche gekennzeichnet; immer seltener sagen die Leute "ich finde", "meiner Meinung nach" etc. Ich hatte mich damals nach dem Grund dafür gefragt und war zum Schluss gekommen, dass es sich in erster Linie um Bequemlichkeit handeln dürfte. Und was musste ich feststellen? Das ist in vielen Fällen leider nicht zutreffend. Oh nein, das war eine realitätsferne Bilderbuchdarstellung. Die Leute halten ihre Ansichten anscheinend oft tatsächlich für die objektive Wahrheit. Sie sehen zum Beispiel, wie sich jemand bei etwas erfolglos abmüht, und kommentieren: "Ach komm, das ist jetzt wirklich nicht schwer!". Das mag für dich gelten, aber nicht für jeden. Immer wieder erlebe ich etwas vom Sinnlosesten, was man mit Sprache überhaupt anfangen kann: Geschmacksdiskussionen. "Ich mag keine Orangen." "Doch, iss. Orangen schmecken gut." "Nein, die sind voll eklig." Viel Erfolg beim Versuch, herauszufinden, ob Orangen aus objektivem Blickwinkel lecker sind oder nicht. Meine Güte, diese Verallgemeinerungen eigener Ansichten. So ein zeitverschwendender Disput kann ganz einfach durch etwas mehr sprachlichen Aufwand in Form von "ich finde" o.ä. beigelegt werden. Merken Sie sich das!
Und wie uns die Passage aus der Känguru-Offenbarung demonstriert, geht die Sache mittlerweile noch weiter: Die Leute machen grosse Ansagen, und wenn man genauer nachfragt, findet man heraus, dass sie gar nicht wörtlich dahinter stehen. Sie wollten nur ein wenig Drama machen, ein bisschen cool wirken oder im besten Fall eine Diskussion anheizen. Alle drei Arten solcher Falschaussagen gehen mir auf die Nerven. Die einzige, die ich teilweise OK finde, ist die mit romantischen Absichten: "Du bist die schönste und tollste Person auf der ganzen Welt und ich kann nicht ohne dich leben!". Die Wahrheit ist, dass niemand 100%ig hinter dieser süssen Aussage stehen kann. Aber solang der Partner genug für einen ist, wäre es einfach nur doof und unsensibel, ganz differenziert die Fakten auf den Tisch zu legen.
Nein, was mich stört, das sind Falschaussagen, die mit Politik, sozialen Problemen etc. zu tun haben. Auf Facebook boomt das. Immer öfter findet man Bilder und Statusmeldungen mit undifferenzierter, reisserischer Aussage. "Den Frauen allein gehört die Zukunft!" "Das Problem sind die Linken!" "Fuck Israel!". Es ist eben prägnanter, schlagkräftiger, cooler, wenn man so einen kurzen, plakativen Ausruf tätigt. Darunter hitzige Diskussionen in den Kommentaren. Schlecht informierte Hobbyextremisten klicken mit diabolischem Grinsen "Gefällt mir". Und dann erscheint plötzlich ein Kommentar der postenden Person: "Heeyy Leude beruhigt euch mal ich hab das nich so wörtlich gemeeeint LOL".
Meine Frage ist ganz einfach: Warum postest du das dann in deinem Namen?! Warum positionierst du dich in einer Debatte öffentlich mit einem Statement, hinter dem du gar nicht stehst?! Stellen Sie sich vor, jemand geht mit einem T-Shirt in eine Pizzeria, auf dem steht: "I LOVE HAM" und kommt zur Theke. Der Pizzaiolo lächelt und fragt: "Guten Tag, was darf's denn sein? Nein, lassen Sie mich raten: Eine Pizza Prosciutto?". "Oh, tut mir leid, ich steh' nicht so auf Prosciutto!". "Warum tragen Sie dann dieses T-Shirt?!". "Ach soo! Na ja, weil es cool ist :D Der wörtliche Inhalt ist ja nicht so wichtig". Ganz ehrlich: Finden Sie das nicht auch bescheuert? Sich in aller Öffentlichkeit in einer Frage zu positionieren, weil das cool ist, und nicht etwa, weil man tatsächlich dieser Meinung ist? Und dann noch überrascht zu sein, wenn einen die Leute beim Wort nehmen? Ich für meinen Teil zitiere noch einmal das Känguru: "Entweder man macht 'ne Ansage oder man hält die Klappe!". Denn wenn der Graben zwischen Sagen und Meinen aus diesem Trend heraus weiter wächst, dann wird Kommunikation in Zukunft immer anspruchsvoller werden. Sagen Sie doch einfach, was Sie meinen. Einverstanden?
-Der Sprachbeschreiber
Montag, 29. September 2014
27: Mein linguistisches Ferienalbum 2014, Teil 2
Schönen Tag und willkommen!
Jauchzet und frohlocket, denn die Runde 2 der sprachlichen Souvenirs ist heute zu euch gekommen.
Und schon ist das Sommeralbum zu Ende. Schade eigentlich. Aber es ist halt anscheinend wirklich so, dass die pedantische Form der linguistic awareness, die bei mir vorherrscht, bei vielen Leuten in meiner Umgebung nicht vorhanden ist. Trotzdem werde ich nächsten Sommer wieder zum grossen Sammeln aufrufen. Es ist ja nicht so, als wäre nichts rein gekommen. Und die Hoffnung pflegt bekanntlich zuletzt zu sterben. Danke an alle, die was geschickt haben oder die zumindest die Augen offen hielten! Bis in 2 Wochen, wenn auch die Gedanken des Sprachbeschreibers wieder vollends aus den Ferien zurück sein werden.
-Der Sprachbeschreiber
Jauchzet und frohlocket, denn die Runde 2 der sprachlichen Souvenirs ist heute zu euch gekommen.
Einer Leserin ist diesen Sommer ein Schild bei einer Ampel aufgefallen. Achten Sie auch auf den Himmel, der unser diesjähriges Schweizer Sommerwetter so wunderbar zusammenfasst. Und dann ist die Ampel auch noch orange - I mean, what are the odds?
Nun sagen Sie mir mal, wie Sie die Beschreibung im roten Rechteck verstanden haben. Verteidigt der Tukan bilderbuchmässig die Bäume und den Partner oder verteidigt er lustigerweise seinen Baum gegen andere Fruchtfresser und sogar gegen seinen eigenen Partner? "Sorry baby, du weisst, ich teile alles mit dir, aber bei meinem Baum ist Schluss". Diese beiden Akkusativobjekte am Ende sind ein Wagnis sondergleichen. Dann noch Folgendes bei McDonald's:
Soll ich da mal anrufen und versuchen, denen eine Kasse anzudrehen? Denn rein grammatisch hat hier die Kasse nichts, aber auch gar nichts mit dem Mitarbeiter zu tun, obwohl das wahrscheinlich der Sinn der Sache gewesen wäre. Sehen Sie? Erneut hat die moderne Getrenntschreibung potentielle Missverständnisse in die Wege geleitet. In diesem Fall wirkt es, als würde man einfach einzelne Worte in den Raum werfen und hoffen, dass die Leute assoziativ richtig denken. Ich stelle mir einen Politiker im Abstimmungskampf vor. Er tritt ans Rednerpult, räuspert sich und spricht mit lauter Stimme: "KRANK KASSE GUT EINE! WETTBEWERB SITUATION NICHT FUNKTIONIEREN! Danke." Hmmm... Ah ja, alles klar... aber grammatisch&rhetorisch hat das noch Luft nach oben.
Zum Abschluss eine wortspielerische Headline, deren Wahrnehmung ich beinahe unter Tränen mit einer standing ovation quittiert hätte. Besonders schön dabei: Sie stammt aus einer Sommerausgabe der BaZ, an deren Missstände ich in Post #12 herumgenörgelt hatte.
Sie schreibt dazu: "Diese Schilder sieht man ja überall. Ich denke immer, ich müsse einen Fussgänger umarmen :-)". Und das ist durchaus legitim; diese Aufschrift verlässt sich wie viele andere darauf, dass die Leute genau wissen, wen oder was man da drücken soll (hm... warum dann das Schild..?), und schert sich nicht um Eineindeutigkeit. Aber da sich heutzutage viele Leute einsam fühlen, finde ich die alternativ mögliche Interpretation eigentlich sehr schön. Hug a pedestrian today! :D
Auch mir sind missverständliche Texte begegnet. Ja genau, solche Schilder, bei denen mir meine Freunde immer sagen: "Das muss man jetzt wirklich nicht falsch verstehen" und ich erwidere "Aber man KANN!". Wie etwa im Zoo Basel:
Soll ich da mal anrufen und versuchen, denen eine Kasse anzudrehen? Denn rein grammatisch hat hier die Kasse nichts, aber auch gar nichts mit dem Mitarbeiter zu tun, obwohl das wahrscheinlich der Sinn der Sache gewesen wäre. Sehen Sie? Erneut hat die moderne Getrenntschreibung potentielle Missverständnisse in die Wege geleitet. In diesem Fall wirkt es, als würde man einfach einzelne Worte in den Raum werfen und hoffen, dass die Leute assoziativ richtig denken. Ich stelle mir einen Politiker im Abstimmungskampf vor. Er tritt ans Rednerpult, räuspert sich und spricht mit lauter Stimme: "KRANK KASSE GUT EINE! WETTBEWERB SITUATION NICHT FUNKTIONIEREN! Danke." Hmmm... Ah ja, alles klar... aber grammatisch&rhetorisch hat das noch Luft nach oben.
Zum Abschluss eine wortspielerische Headline, deren Wahrnehmung ich beinahe unter Tränen mit einer standing ovation quittiert hätte. Besonders schön dabei: Sie stammt aus einer Sommerausgabe der BaZ, an deren Missstände ich in Post #12 herumgenörgelt hatte.
Und schon ist das Sommeralbum zu Ende. Schade eigentlich. Aber es ist halt anscheinend wirklich so, dass die pedantische Form der linguistic awareness, die bei mir vorherrscht, bei vielen Leuten in meiner Umgebung nicht vorhanden ist. Trotzdem werde ich nächsten Sommer wieder zum grossen Sammeln aufrufen. Es ist ja nicht so, als wäre nichts rein gekommen. Und die Hoffnung pflegt bekanntlich zuletzt zu sterben. Danke an alle, die was geschickt haben oder die zumindest die Augen offen hielten! Bis in 2 Wochen, wenn auch die Gedanken des Sprachbeschreibers wieder vollends aus den Ferien zurück sein werden.
-Der Sprachbeschreiber
Montag, 15. September 2014
26: Mein linguistisches Ferienalbum 2014, Teil 1
So liebe Leute, da simma wieder! Ich präsentiere Ihnen zum Wiedereinstieg einen Bericht über die sprachlichen Kuriositäten, die sich bei mir und meinen LeserInnen während der Ferienzeit angesammelt haben. Nein, das war für mich keine mühsame, mit Ferien nicht vereinbare Arbeit. Ich kann's nun mal einfach grundsätzlich zu so gut wie keinem Zeitpunkt lassen, Sprache unter die Lupe zu nehmen - dies verstehe, wer will. Ich denke auch nicht, dass Sie sich als LeserIn meines Blogs von diesem Umstand gestört fühlen. Freuen wir uns daran, dass diese Charakterausprägung meinerseits dank dieses Blogs als "mutually beneficial" gelten darf. Und nun geht's los mit dem ersten Teil der Ferienentdeckungen.
Auch sonst hatte der ÖV diesen Sommer immer wieder mal sprachliche Glanzleistungen vorzuweisen, zum Beispiel, wenn's ums Englische ging:
Zunächst ein Ferienklassiker: Die mässig übersetzte Speisekarte. Die folgenden Beispiele hat ein befreundetes Paar in Italien vorgefunden:
Links oben: Der durch die Übersetzung entstandene Satz ist eine Definition, der es meines Wissens an Korrektheit mangelt. Die Übersetzung ist allerdings treu erfolgt; sie entspricht inhaltlich dem italienischen Ausgangs"text", in dem ein Fehler enthalten ist: "è" bedeutet tatsächlich "ist". Die richtige Schreibweise wäre ein "e" ohne Akzent.
Rechts oben: Wie es zu diesem Fehler kommen konnte, ist mir mehr als schleierhaft. Kein italienisches Wort, das meinen Recherchen zufolge mit "Verhältnisse" äquivalent sein kann, weist auch nur im entferntesten Verwechslungspotential mit "Linguine" auf. Wenn jemand eine Idee hat, der oder die sich im Italienischen besser auskennt, so melde er/sie sich bei mir.
Unten: Nun, hier kann ich eigentlich nicht böse sein... Es ist mehr als klar, was Sache ist, nicht wahr? Ein wenig Bemühung um Eineindeutigkeit ist in Massen nicht zu verachten.
Solche Redundanz ist auch mir selbst begegnet. Ich bin oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, und das war auch in diesen Ferien immer wieder der Fall. Einmal fiel mir auf, dass die Schweizer Bundesbahnen (Plural! Also, liebe Frau Zug-Ansagerin: Korrekterweise müssten Sie sagen: "Die SBB begrüssEN Sie im Intercity... blablabla") einen linguistisch interessanten Hinweis in ihren Familienwägen angebracht haben:
Folgendes finden wir im Duden unter "Familie":
Die Familie mit Kindern ist also genau so selten wie der runde Kreis, der weisse Schimmel und die tote Leiche. Im Idealfall verwenden die SBB hier bewusst einen Pleonasmus als rhetorisches Mittel, um unmissverständlich klar zu machen, für wen diese Abteile gedacht sind. Das geht eigentlich in Ordnung.
Auch sonst hatte der ÖV diesen Sommer immer wieder mal sprachliche Glanzleistungen vorzuweisen, zum Beispiel, wenn's ums Englische ging:
Links: Ich habe lange überlegt, bin aber nicht darauf gekommen, was inlingua dazu bewegen konnte, kleinen Gruppen Kurse im schnellen Vorspulen anzubieten.
Rechts: IWB Basel Marathon - Immer auf der Flucht! Dieser coole Spruch punches me so right out of the socks.
Zum Abschluss des ersten Teils möchte ich noch eins dieser ach so tollen Komplimentplakate auseinander nehmen, mit denen der Schweizer Sommer eingeläutet worden war:
Also *räusper*. Liebe Maike: Zunächst einmal, finden Sie es nicht etwas absonderlich, jemandem für seine Schönheit zu danken? Was kann denn der angebliche Adonis mit Namen Paul für sein angeborenes Aussehen bzw. seine anturnende Art, von der Sie anscheinend aussergewöhnlich ausschweifendes Angetansein anzeigen? Da könnte man meiner Meinung nach geradesogut konsequenterweise zu einer unansehnlichen Person gehen und sagen: "Was fällt Ihnen eigentlich ein, so hässlich durch die Welt zu laufen?".
Dann das Wie-Wörtchen "grenzenlos", das die Schönheit modifiziert. Ja, man versteht, was Sie meinen. Aber ich kann mir "grenzenlose" Schönheit beim besten Willen nicht vorstellen. Wie könnte das aussehen... Ist das Schönheit, die niemals aufhört? Warten Sie noch ein paar Jahre.
Die letzte Frage, die mich quälte: Seit wann ist es ein Kompliment, jemanden als "Leben" zu bezeichnen? Oder Moment mal... Habe ich da nicht letztens nicht beim Passieren einer Jungsclique ein Mitglied "Alte, du bisch eifach s geilschte Läbe wo s git!" sagen hören..? Hmmm... Nein. Nein, habe ich nicht. Tut mir leid.
Aber machen Sie sich nichts draus, liebe Maike. Ich mache hier nur meinen Job als Sprachbeschreiber. Sie sind in Ihrer ungeschickten Art beim Produzieren von bildhafter Sprache bei Weitem nicht allein in der Gesellschaft. Und diese Art stört mich eigentlich auch nicht besonders - ich finde es nur faszinierend, den linguistischen Dynamiken auf den Grund zu gehen. Logisch betrachtet mag das zwar ein ziemlicher Stuss sein, den sie da raus gelassen haben. Aber darob geht die gute Absicht nicht verloren - ich bin sicher, der gute Paul wird sich gefreut haben. Und was will man noch mehr? So, der Sprachperfektionist hat gesprochen.
Das muss dann auch für dieses Mal reichen. In zwei Wochen werde ich einen weiteren Teil zusammengebastelt haben. See you then.
-Der Sprachbeschreiber
Rechts: IWB Basel Marathon - Immer auf der Flucht! Dieser coole Spruch punches me so right out of the socks.
Zum Abschluss des ersten Teils möchte ich noch eins dieser ach so tollen Komplimentplakate auseinander nehmen, mit denen der Schweizer Sommer eingeläutet worden war:
Also *räusper*. Liebe Maike: Zunächst einmal, finden Sie es nicht etwas absonderlich, jemandem für seine Schönheit zu danken? Was kann denn der angebliche Adonis mit Namen Paul für sein angeborenes Aussehen bzw. seine anturnende Art, von der Sie anscheinend aussergewöhnlich ausschweifendes Angetansein anzeigen? Da könnte man meiner Meinung nach geradesogut konsequenterweise zu einer unansehnlichen Person gehen und sagen: "Was fällt Ihnen eigentlich ein, so hässlich durch die Welt zu laufen?".
Dann das Wie-Wörtchen "grenzenlos", das die Schönheit modifiziert. Ja, man versteht, was Sie meinen. Aber ich kann mir "grenzenlose" Schönheit beim besten Willen nicht vorstellen. Wie könnte das aussehen... Ist das Schönheit, die niemals aufhört? Warten Sie noch ein paar Jahre.
Die letzte Frage, die mich quälte: Seit wann ist es ein Kompliment, jemanden als "Leben" zu bezeichnen? Oder Moment mal... Habe ich da nicht letztens nicht beim Passieren einer Jungsclique ein Mitglied "Alte, du bisch eifach s geilschte Läbe wo s git!" sagen hören..? Hmmm... Nein. Nein, habe ich nicht. Tut mir leid.
Aber machen Sie sich nichts draus, liebe Maike. Ich mache hier nur meinen Job als Sprachbeschreiber. Sie sind in Ihrer ungeschickten Art beim Produzieren von bildhafter Sprache bei Weitem nicht allein in der Gesellschaft. Und diese Art stört mich eigentlich auch nicht besonders - ich finde es nur faszinierend, den linguistischen Dynamiken auf den Grund zu gehen. Logisch betrachtet mag das zwar ein ziemlicher Stuss sein, den sie da raus gelassen haben. Aber darob geht die gute Absicht nicht verloren - ich bin sicher, der gute Paul wird sich gefreut haben. Und was will man noch mehr? So, der Sprachperfektionist hat gesprochen.
Das muss dann auch für dieses Mal reichen. In zwei Wochen werde ich einen weiteren Teil zusammengebastelt haben. See you then.
-Der Sprachbeschreiber
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