Montag, 29. September 2014

27: Mein linguistisches Ferienalbum 2014, Teil 2

Schönen Tag und willkommen!
Jauchzet und frohlocket, denn die Runde 2 der sprachlichen Souvenirs ist heute zu euch gekommen.

Einer Leserin ist diesen Sommer ein Schild bei einer Ampel aufgefallen. Achten Sie auch auf den Himmel, der unser diesjähriges Schweizer Sommerwetter so wunderbar zusammenfasst. Und dann ist die Ampel auch noch orange - I mean, what are the odds?


Sie schreibt dazu: "Diese Schilder sieht man ja überall. Ich denke immer, ich müsse einen Fussgänger umarmen :-)". Und das ist durchaus legitim; diese Aufschrift verlässt sich wie viele andere darauf, dass die Leute genau wissen, wen oder was man da drücken soll (hm... warum dann das Schild..?), und schert sich nicht um Eineindeutigkeit. Aber da sich heutzutage viele Leute einsam fühlen, finde ich die alternativ mögliche Interpretation eigentlich sehr schön. Hug a pedestrian today! :D

Auch mir sind missverständliche Texte begegnet. Ja genau, solche Schilder, bei denen mir meine Freunde immer sagen: "Das muss man jetzt wirklich nicht falsch verstehen" und ich erwidere "Aber man KANN!". Wie etwa im Zoo Basel:


Nun sagen Sie mir mal, wie Sie die Beschreibung im roten Rechteck verstanden haben. Verteidigt der Tukan bilderbuchmässig die Bäume und den Partner oder verteidigt er lustigerweise seinen Baum gegen andere Fruchtfresser und sogar gegen seinen eigenen Partner? "Sorry baby, du weisst, ich teile alles mit dir, aber bei meinem Baum ist Schluss". Diese beiden Akkusativobjekte am Ende sind ein Wagnis sondergleichen. Dann noch Folgendes bei McDonald's:


Soll ich da mal anrufen und versuchen, denen eine Kasse anzudrehen? Denn rein grammatisch hat hier die Kasse nichts, aber auch gar nichts mit dem Mitarbeiter zu tun, obwohl das wahrscheinlich der Sinn der Sache gewesen wäre. Sehen Sie? Erneut hat die moderne Getrenntschreibung potentielle Missverständnisse in die Wege geleitet. In diesem Fall wirkt es, als würde man einfach einzelne Worte in den Raum werfen und hoffen, dass die Leute assoziativ richtig denken. Ich stelle mir einen Politiker im Abstimmungskampf vor. Er tritt ans Rednerpult, räuspert sich und spricht mit lauter Stimme: "KRANK KASSE GUT EINE! WETTBEWERB SITUATION NICHT FUNKTIONIEREN! Danke." Hmmm... Ah ja, alles klar... aber grammatisch&rhetorisch hat das noch Luft nach oben.

Zum Abschluss eine wortspielerische Headline, deren Wahrnehmung ich beinahe unter Tränen mit einer standing ovation quittiert hätte. Besonders schön dabei: Sie stammt aus einer Sommerausgabe der BaZ, an deren Missstände ich in Post #12 herumgenörgelt hatte.






















Und schon ist das Sommeralbum zu Ende. Schade eigentlich. Aber es ist halt anscheinend wirklich so, dass die pedantische Form der linguistic awareness, die bei mir vorherrscht, bei vielen Leuten in meiner Umgebung nicht vorhanden ist. Trotzdem werde ich nächsten Sommer wieder zum grossen Sammeln aufrufen. Es ist ja nicht so, als wäre nichts rein gekommen. Und die Hoffnung pflegt bekanntlich zuletzt zu sterben. Danke an alle, die was geschickt haben oder die zumindest die Augen offen hielten! Bis in 2 Wochen, wenn auch die Gedanken des Sprachbeschreibers wieder vollends aus den Ferien zurück sein werden.

-Der Sprachbeschreiber